Der Altehrwürdige Saal des Kaufleuten, alles sehr entspannt, in gerade Mal fünf Minuten sind wir drin. Drink und Garderobe inklusive. Auf der Bühne steht ein stämmiger Künstler, der nur mit Stimme, einer unverzerrten Gitarre und einer Basedrum! die Menge unterhält. Die Stimmung ist bereits ausgezeichnet, der Raum vor der Bühne gut gefüllt, und auch wenn ich ausser „..you left me..“ und „it hurts“ nur am Rande mitbekomme, dass es offenbar um tiefgreifende Emotionen geht, überzeugt mich vor allem die Kombination der Instrumente zu einer One-Man-Band und die Energie, die von dieser Bühne ausgeht.
Wie man sich dies von „opening acts“ gewohnt, ist der Abschluss dann sehr kurz und abrupt und wir bringen uns in der wachsenden Menge langsam in Position, um dann auch sicher nichts vom heutigen „main act“, ebendieser Paloma Faith zu verpassen. Begonnen hatte alles mit der Faszination für die Anfangstakte zu „New York“, welches mir in einer gleichnamigen Countdownsendung bei Radio 1 begegnete. Die etwas nasale Stimme, der karge Hip-Hop Beat, die absteigende Basslinie wären ja schon aufreizend genug gewesen. Die perlenden Harfenklänge und die schwermütig einsetzenden Streicher gaben mir dann aber den Rest. Da war ein Hauch „Save the last dance“, eine Prise Fugees, eine Nuance Soul der Marke Winehouse und um mich war es geschehen. Auch wenn der Rest des Liedes dann in allzuseichter Popsauce ertränkt wurde, wollte ich mehr wissen. Und siehe da: meine iTunes Bibliothek ergab bereits einen Treffer. Bereits 2012 hatte ich mir einen Song dieser Künstlerin via Shazam herunter gesogen, was immer bedeutet, das mich ein Song irgendwo angesprungen hatte und ich ihn einfach „haben musste“! Und tatsächlich erwies sich auch dieser Titel als Treffer erster Güte. Diesmal alles etwas symphonischer, mit Bläsersatz und in ganz eindeutiger James Bond Manier zeigte sich auch hier eine sehr markige, charaktervolle Stimme mit tollem Rhythmusgefühl, kraftvollen Texten und einer gewissen Partylaune. „Stone cold sober“
Und dann kamen die Musiker auf die Bühne. Ganz klassische mit Fliegen, weissen Hemden und ebensolchen Jackets versprachen sie eine geballte Ladung Retro-chic der Marke Rockabilly-50ies. Paloma selbst liess sich gleich darauf auch nicht lumpen und erschien im Seidenroten Vintagekleid mit Föhnfrisur und mächtiger UK-Attitude. Als die Frau dann loslegte, schoss mir einen Moment durch den Kopf, dass Amy Winehouse ohne Drogen in etwas so ausgesehen haben könnte. Doch diesen Gedanken wurde ich schnell wieder los, denn Amy Winehouse war nun einmal das dunkle, die Depression, die Drogen. Hier aber präsentierte sich ein artiges englisches Mädchen, welches in ihren Ansprachen viel Witz und Freude versprühte und einem das Gefühl gab, dass ihre „Mum“ noch immer genau wisse, wo sie im Moment gerade war. (Vielleicht auch der Grund, weshalb ich sie in diesem Beitrag beim Vornahmen nenne). Klar, war das etwas bieder, manchmal etwas seicht, doch dafür bekam man viel Charme, eine aufgeweckte, ehrliche Ausstrahlung und vor allem eine zweistündige Show ohne Aussetzer und Alkoholgetaumel. (Dass Winehouse Paloma einmal als Backgorundsängerin verpflichten wollte, wusste ich da noch nicht und dass Letztere damals Absagte, versteht sich im Nachhinein von selbst.)
Paloma war also da und im Gepäck hatte sie eine hochstehende Band, die ihre Musik ganz eindeutig live produzierte. Bestehend aus zwei Gitarristen, einer Bassistin, einem Schlagzeuger, einem Pianisten/Keyboarder und einer Backgroundsängerin, liessen diese sechs Musiker immer wieder durchblicken, dass sie ganz eindeutig auch individuelle Klasse besassen und die Solos der Band gehörten eindeutig zu den Highlights der Show. Diese Show war zudem perfekt abgemischt und auch durch die Gehörschutzpfropfen hindurch war zu vernehmen, dass hier Songs in CD-Qualität abgeliefert wurden. Die Bassistin und einer der Gitarristen bedienten zudem noch eine ganze Reihe elektronischer Hilfsmittel und Instrumente und sorgten dafür, dass niemand sagen konnte, es sei halt eben „live“ gewesen und darum nicht perfekt. Und genau hier möchte ich dann auch zu einer Kritik ansetzen. Von einer Künstlerin, mit einer prägnannten Stimme und einer Live-Band, welche auf der Bühne einen perfekten Live-Sound produzieren kann, hätte ich gerne dieses Live-Erlebnis etwas mehr unterstrichen. Schliesslich ist es eben genau dieses direkte und unmittelbare Erlebnis, welches mir 50.- Franken wert war und für welches ich mich eben nicht mit der Konserve begnügen wollte. Doch durch diesen perfekten Live-Mix ist mir bewusst geworden, dass ich dies an einem Konzert gar nicht unbedingt suche. Sogar die solistischen „Improvisationen“ wirkten nicht wirklich improvisiert sondern sehr genau eingeübt und waren sehr kurz gehalten um ja nicht auszuufern. Paloma war spontan und suchte den unmittelbaren Kontakt zum Publikum, doch die Lieder liefen wie Youtube-Filme nach einer ganz strengen Choreografie und die Vermischung elektronischer und akustischer Instrumente liess an eine musikalische Gestaltung gar nicht erst denken. Inhaltlich gab Paloma eine gut strukturierte Show von sich mit Hits aller drei Alben und sämtlichen Stimmungen, die man von ihr kennt. Sowohl elektronische Baladen, die ein wenig an Katie Melua erinnerten, rockige Partysongs im Stile einer Pink und Pop-Hymnen im Stile Coldplays waren an Bord und zeigten die Bandbreite und Stilsicherheit der Produzenten und beteiligten Musiker auf.

Abschliessend bleiben zwiespältige Gefühle zurück. Einen Teil davon, behält man sehr gerne in Erinnerung. Ich mein das Mitgerissen-werden bei einem knalligen Refrain, das Hingeben an einen Funkigen Bass, dass Auflachen nach einer lockeren Pointe, das Mitsingen bei einer Hymne, das Nachsummen eines Ohrwurms und das Applaudieren nach einem Gitarren-Solo. Andererseits weiss ich auch wieder, warum ich von der Pop-Schiene immer wieder abdrifte. Da hatte es keine Ecke oder Klippe, an welcher ich mich hätte festklammern können. Da war auch keine unvergessliche Solo-Einlage, kein ausuferndes Gitarrenduell oder kein ekstatischer Bühnentanz. Da war kein Schriller-Gitarrenverzerrer und keine knallende Snare-drum. Paloma kam, spielte live, zeigte sich, zeigte ihre Bewegungen, ihre Stimme, ihre Band. Sie zeigte, was sie kann und worin sie gut ist und zeigte auch, wo ihre Grenzen sind. Doch bei alldem tönte sie genau wie auf einer CD und dafür muss ich nicht unbedingt an ein Live-Konzert. Vielleicht ist dies das Opfer, welches die Kompressor-Musik, die Einheitsdynamik, der Drum-Computer und die eindrückliche Live-Technik einfordert: Es verliert den Charme des Unmittelbaren, Unperfekten, Authentischen, wie ein computeranimierter Trickfilm. Schade, denn Paloma ist wirklich gut.
F. Auchter, 18.2.15
