
Das also war des Pudels Kern! -Faust
Der Vorhang hebt sich. Vor mir liegen zwanzig oder mehr Menschen am Boden. Ihre Arme strecken sie von ihrem Körper und sie tragen Vogelähnliche Kostüme. Die Geigen zupfen mehr, als streichen an ihren Seiten und erschaffen so eine hibbelige Melodie. Überall fangen die Vögel an ihre Arme, ungleich voneinander, blitzartig zu heben und wieder langsam zu senken. Zuerst nur einige Male, doch mit der Zeit wird das zucken immer mehr und immer schneller. Dies geschieht alles auf einer finsteren Bühne und erweckt in mir eine unglaubliche Spannung was weiterhin passieren wird.
Schon seit ich mein erstes Faustbuch in der Hand gehalten habe und das Kapitel Nacht gelesen habe, habe ich mich in dieses Buch verliebt. Goethe war schon immer mein absoluter Lieblings Dichter und die Art wie er über diesen Faust schreibt und einem in so einen Melodischen Dichterfluss tauchen lässt, ist unbeschreiblich. Somit ist es wohl kein Wunder, dass es zu einem meiner absoluten Lieblings Bücher gehört und als ich gesehen habe, dass es ein Ballett davon gibt, musst ich dieses natürlich sofort sehen. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Edward Clug & Milko Lazar
Der Choreograph und Dramaturg Edward Clug erschuf mit seinem Freund Milko Lazar, mit welchem er schon 16 Inszenierungen gemacht hat, eine Unvergleichliche. Edward Clug wurde 1973 in Rumänien geboren. 1991 schloss er seine Ballettausbildung ab, und wurde noch im gleichen Jahr als Solist an dem Slowenischen Nationaltheater engagiert. 2003 wurde er dort Ballettdirektor. Ab da fing er an eigene Stücke zu entwerfen und zog mit seinem besonderen Stil die Aufmerksamkeit eines internationalen Publikums auf sich. Auch das Stück Faust wurde in diesem Zeitgenössischem Ballett Still geschrieben. Er entwirft Choreographien die sowohl modern Dance, als auch klassisches Ballett erfordern.
Eine Geschichte, die mit Tanz erzählt werden soll, muss bereits im Gedächtnis der Zuschauer verankert sein. Nur so kann man sie neu erzählen. -Edward Clug
Auf die Frage, weshalb Clug Faust und nicht seine eigentliche Idee „Der Meister und Margarita“ verfolgte, begründete er damit, dass er nicht wusste wie gut die Zuschauer das Stück kennen würden und es wäre Grundsätzlich ein Thema für ein Ballett zu nehmen, welche Geschichte bereits in den Köpfen des Publikums verankert ist, um eine neue Interpretation zu machen. Und dies war bei dem Vorgänger von der Meister und Margarita der Fall.
Doch was wäre ein Ballett ohne Musik?
„And so I went, with this little fragment in my pocket, and I made a 13, nearly 14 minutes eruption of this fragment.“ -Milko Lazar
Der Komponist des Stückes, Milko Lazar war schon als kleines Kind sehr musikalisch. Er wurde 1965 in Maibor geboren. Schon immer war er an den verschiedenen klängen interessiert, so steckte er zum Beispiel Papier zwischen die Tasten des Klaviers und probierte den Ton neu zu erfinden. Heut zu Tage ist er nicht nur als Komponist, sondern auch als Multiinstrumentalist bekannt. Er spielt Klavier, Cembalo und Saxophon. Diese Instrumente studierte er auch an der Kunstuniversität Graz, sowie Barockmusik am Königlichen Konservatorium in Den Haag. Fünfzehn Jahre war er als Solosaxofonist und Dirigent der Radio-Bigband des RTV Slovenia engagiert. Nebenbei Komponierte er jedoch auch Orchesterwerke, Opern, Kammermusik, Vokal- und Jazzkompositionen. Milko Lazar wurde mit dem slowenischen Kunstpreis, dem Presernov Sklad, und dem Kunstpreis der Stadt Ljubljana ausgezeichnet. Seit 2008 verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit Edward Clug. Auf die Frage in einem Interview, wie er auf die Musik kommt für ein Ballett, antwortete er „Es fängt oft mit einem Gefühl an, ein paar Tönen und ein kleines Fragment“. Dieses Motiv von dem er hier spricht ist das Leitmotiv in der letzten Szene Walpurgisnacht. Es besteht nur aus zwei Tönen die sich abwechseln, doch als er sie Clug zum ersten Mal vorspielt, war dieser begeistert davon und sagte ihm er bräuchte jetzt nur noch dreizehn Minuten davon. „And so I went, with this little fragment in my pocket, and I made a 13, nearly 14 minutes eruption of this fragment.“

Was ich persönlich nicht wusste, war, dass bei einem Ballett zuerst die Musik und dann erst der Tanz kommt. Was natürlich auch einige Probleme bereitet, wie zum Beispiel Änderungen in der Choreografie, welche logischerweise auf eine Änderung in der Musik führen. Und so sehe ich es als eine recht schwierige und eine Beeindruckende Leistung an, ein Ballett zu schreiben.
Musik und Inszenierung
Während des ganzen Stückes, war die Musik ruhig, doch dennoch sehr aufregend. Sie passte bis ins kleinste Detail mit den Bewegungen der Tänzer überein. Zum Teil hatte ich das Gefühl, es würde gar keine Musik gespielt werden, da der Klang so mit dem was ich sah übereinstimmte und mir einfach nur natürlich vorkam. Wie zum Beispiel in einer meiner Lieblingsszenen, als Faust mit Mephisto in einem grossen Glaskasten gefangen ist welcher mit Rauchgefüllt ist. Es stellt die Berühmte Szene von Mephisto, welcher sich als Pudel tarnt, und dem alten Faust dar. Anders als im Buch sitzt Faust hier im Rollstuhl, welcher wahrscheinlich sein alter und die Erschöpfung darstellen sollte. Faust sitzt also in seinem Rollstuhl in dem Kasten. Da schleicht sich Mephisto, welcher ein Ballonpudel in der Hand hält in den Kasten. Zuerst ist Faust, wie im Buch, mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Mephisto/ der Ballonpudel schleicht um Faust herum. Dann fängt er an Faust zu bedrängen. Rein von der Darstellung her, ist diese Szene genial. Er macht Handstände, stosst sich von Wänden ab und macht noch viele andere Waghalsige Kunststücke. Es ist faszinierend, wie Clug es geschafft hat diese Szene aus dem Buch so tänzerisch zu übersetzen. Die Aussage ist klar, mach einen Vertrag mit mir, und ich werde dir alles geben, was du willst. Diese klare Aussage ist eine der Gründe warum die Szene so toll ist.
Das Bühnenbild ist simpel und genial. Der vordere Teil der Bühne ist leer und auf dem hinteren steht eine Art Gang, welche gesamte Vorderseite aus schiebe Türen besteht, die man nach belieben verschieben kann. Auch ist der Gang beleuchtet und gibt dem Ballett somit einen Himmelartigen Hintergrund.

Am Anfang war das Wort. Und das war bei Goethe.
Fazit
Obwohl ich an diesem Punkt gestehen muss, dass ich etwas voreingenommen bin wenn es um Faust geht, war dieses Erlebnis etwas, was ich jedem ans Herz legen kann. Ich habe noch selten ein Ballett gesehen, dass so mit Musik, Geräuschen und Tanz harmoniert. Das Bühnenbild ist spitze, die Kostüme sind kreativ und toll und die Interpretation, sowie die Geschichte selber ist einmalig. Es gibt absolut nichts an dem Stück, dass ich aus zu setzen hätte. Von der Länge, bis zu der Abwechslung ist alles perfekt. Bei einige Szenen waren mir zwar nicht so klar was sie darstellen sollten, doch sie passten in die ganze Geschichte irgendwie rein. Was mich erstaunt hat, war, wie ich zum Teil einige Bewegungen genau in Verbindung bringen konnte, mit dem Original Text und somit das Tanzen nicht nur einen Melodischen Text, sondern auch tatsächlich einen Text bekommen hat. Es schien als würde das Ballett zu dir sprechen.
Andrea Schmid 2fM, 22.6.18
Quellen: https://www.opernhaus.ch/spielplan/kalendarium/faust-120/season_11232/ https://www.nzz.ch/feuilleton/wenn-es-faust-die-sprache-verschlaegt-ld.1380436 https://www.youtube.com/watch?v=6pTlpdD3N8o