
Er sprach nicht und trotzdem verstanden wir ihn
Der wohl meist gespielte Komponist der Welt
Ludwig van Beethoven war ein deutscher Komponist und Pianist, wobei er aufgrund seines Gehörleidens als Pianist frühzeitig aufhören musste. Er konzentrierte sich somit mehr auf das Komponieren, denn seine Stärken lagen im freien Improvisieren und Fantasieren auf jeglichem Instrument und er brachte dies auch auf Papier. Er führte die Wiener Klassik zur höchsten Entwicklung. Beethoven rang um jede Note, er verbesserte und nacharbeitete seine Kompositionen immer wieder.
16 November 2023
Fast 200 Jahre später: Wir befinden uns im Jahr 2023, in der grossen Tonhalle Zürich. Festlich gekleidete Leute strömen in die grosse Tonhalle. Zwischen den Stühlen für die Musikerinnen und hinter dem Dirigentenpult steht ein schwarzer Flügel. Pechschwarz glänzend steht der Flügel da, fast schon düster, aber auch elegant und verführerisch, sowie die Töne die gleich auf dem Flügel gespielt werden. Man spürt die Spannung der Zuhörerinnen. Niemand weiss, was einem erwartet. Als alle sich auf ihren Plätzen eingefunden haben, wird das Licht gedimmt und der Reihe nach laufen die elegant gekleideten Musikerinnen auf die Bühne. Doch zuerst werden die Instrumente gestimmt, die erste Violine steht auf und gibt den Richtton an. Beruhigende Töne erfüllen die grosse Tonhalle, als die Musikerinnen ihre Instrumente stimmen, danach nehmen sie Platz und plötzlich geht eine fast nicht sichtbare Tür auf. Ein Raunen geht durch die Menge. Die Musikerinnen erheben sich als der Pianist Piotr Anderszewski und der dänische Dirigent Thomas Sondergard die Bühne betreten.
Der Grübler
Anderszewski ist ein polnischer Pianist. Er spielt seit er sechs Jahre alt ist Klavier. Mit 21 Jahre brach er ein Konzert in Leeds im Halbfinale ab, trotz realistischen Chancen auf den ersten Platz. Grund dafür war, dass ihm seine Leistung nicht zufriedenstellte. Anderszewski will jede einzelne Note verstehen, bevor er ein Werk öffentlich spielt. Er ist ständig auf der Suche nach dem richtigen Zugang. Bei Beethoven zeigen ihm die Noten unglaublich viel. Er selber sagt, dass etwas verloren gehe, wenn man als Interpret nicht um den richtigen Ausdruck ringe. Er ist also nicht nur Pianist, sondern auch Grübler, denn er weiss wie er Gedanken auf berührende, mitreissende und ungemein charakteristischer Weise, zu Töne übertragen versteht. Er sprach nicht und trotzdem haben wir ihn verstanden.
Schon fast ein heroisches Konzertstück
Mit Fortissimo-Schlägen des Orchesters, unterbrochen von einem lebhaften prälaudierenden Klavier beginnt das 5. Klavierkonzert Ludwig van Beethovens. Nach dem Thema des ersten Satzes, das mit der fast schon explosiven Einleitung begann, wandelt sich das musikalische Wechselspiel zwischen Solist und Orchester in fast schon intime, kammermusikalische Momente. Im erste Satz jedoch ist ein punktiertes Motiv zu erkennen, das zu dem marschartigen Thema zurückführt. Der weitere Verlauf des Klavierparts zeigt schon fast einen Rückzug an von den martialischen, lauten Tönen, hinzu ferner Tonart, als wolle sich Piotr Anderszewski aus der Realität wegträumen, in der er dann wieder zurückgeholt wird. Nach diesem explosiven, schon fast heroischem ersten Teil folgt der eher introvertierte, langsame zweite Teil. Während im Allegro das Orchester wie ein lauten Gegenpart gegenüber Piotr Anderszewski war, wird es im Adagio un poco moto zum freundlichen Begleiter. Schwebend leicht spielt Piotr Anderszewski die Töne des Klaviers, wie als würde sich eine einzig grosse Idylle auftun. Der Gedanke des Finales jedoch wird schon vorweggenommen, denn Adagio un poco moto endet harmonisch und dies kann alles bedeuten, in unserem Fall beginnt Allegro un poco moto im Pianissimo. Plötzlich explodiert es. Das Finale ähnelt einem tänzerischen Charakter. Die grosse Spannung, die am Anfang des Konzertes innewohnte hat sich gelöst. Es fühlt sich an, als hätte man das Problem bewältigt und überwunden.
Eine Hörprobe, des 38 minütigen Stückes…
Doch was ist das überwundene Problem?
Dafür muss man den Kontext der Entstehung dieses Klavierkonzerts kennen. Das Klavierkonzert Es-Dur op. 73, war das letzte vollendete Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven. Es ist das beliebteste und meistgespielte Klavierkonzert weltweit. Mit einer Dauer von 40 Minuten ist es ein sehr verbreitetes Konzertstück. Das Konzertstück komponierte Ludwig van Beethoven, während den napoleanischen Kriegen. Es-Dur galt im 18 Jahrhundert als feierlich und wurde von Beethoven öfters benutzt, um das Heldentum musikalisch darzustellen.
Das Konzertstück ist in drei Teile aufgeteilt: Während im ersten Teil der Solist und das Orchester zwischen heroischen und friedfertigen Momenten wechselt, ist der zweite Teil, wie ein Rückzug von den letzten Tönen, so als wolle der Solist wegrennen. Der letzte Teil ist das Orchester wie ein freundlicher Begleiter, im Vordergrund die schwebenden Töne des Klaviers und der finale Teil ist, wie ein leichtes Tanzen, es atmet schon fast und beansprucht Raum.
Das Zusammenspiel
Das Zusammenspiel von Pianist und Orchester war wirklich sehr harmonisch, man hat nicht gemerkt, dass der ursprüngliche Dirigent David Zinmann krankheitsbedingt ausgefallen ist und ersetzt wurde durch Thomas Sondergard. Thomas Sondergard, ein dänischer Dirigent, hat das Orchester und den Pianist gut geführt und war stets in Verbindung mit dem Pianisten. Sie waren eine Einheit, es war dynamisch präzis und die Übergänge zwischen Pianist (Solist) und Orchester waren sehr gut.
Der Komponist
Ludwig van Beethoven war ein deutscher Komponist und Pianist. Seine Stärken lagen im freien improvisieren und fantasieren auf jeglichem Instrument. Er komponierte das Klavierkonzert, während die napoleonischen Kriege herrschten.

Der Dirigent
Thomas Sondergard ist ein dänischer Dirigent, der seit Saisonbeginn Music Director des Minnesota Orchestra ist. Es war das erste Mal, dass er dirigiert hat in der Tonhalle-Zürich. Jedoch merkte man, dass er sehr erfahren war und es war ein harmonisches Zusammenspiel.

Der Pianist
Piotr Anderszewski ist ein polnischer Pianist. Er will jede Note verstehen, bevor er das Werk öffentlich spielt. Beethoven zeige dem 54 jährigen enorm viel. Er ist also nicht nur Pianist, sondern auch Grübler. Und obwohl er kein Wort sagte, verstanden wir ihn.

Apollo, der Gott der Musik
Es ist die Zeit der Männerchöre und der patriotischen Feiern, als der Konzertsaal entstand und restauriert wurde. Die alte Tonhalle war am Kornhaus am See (auf dem heutigen Sechseläuten-Platz). Es diente dem Konzertleben für 30 Jahre, trotz akustischen Mängeln. Neben der alten Tonhalle entstand ein Stadttheater, das heute als Opernhaus bekannt ist. Doch das aufstrebende Musikleben verlangte ein Konzerthaus mit einer besseren Akustik, als die alte Tonhalle bieten konnte. Am General-Guisan-Quai wurde deshalb ein neues Konzerthaus errichtet. Die neu entstandene Tonhalle wurde eingeweiht mit Johannes Brahms, dieser dirigierte, bei der Eröffnung, das erste Konzert. Auch eine imposante Orgel wurde in den grossen Konzertsaal eingebaut. Im grossen Konzertsaal der Tonhalle Zürich zeigen fünf verschiedene Deckenmalereien verschiedene musikalische Szenarien. Im Zentrum des sogenannten Komponistenhimmel sind die Portraits von Bach, Händel, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Wagner und Brahms, alle blicken in den grossen Konzertsaal hinunter. Es stellt ebenfalls ein Wirbelwind von Musikanten und kleinen Engeln, die in den Himmel aufsteigen, dar, denn in den Wolken thront Apollo, der Gott der Musik.
Die Tonhalle Zürich

Das Gemälde, mit Portraits von Bach, Händel, Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Wagner und Brahms.

Die grosse Tonhalle und die imposante Orgel.

Die alte Tonhalle auf dem heutigen Sechseläuten-Platz.

Das Orchester mit über 100 Musikerinnen aus 20 verschiedenen Nationen.
Die unübersetzte Weltsprache
Und während Apollo über mir schwebte, war ich sehr aufgeregt, weil es das erste klassische Konzert war, in dem ich als Zuhörerin teilnahm und nicht als Cellospielerin. Natürlich spiele ich nicht auf diesem Niveau, wie die Cellospielerinnen in dem Tonhalle-Orchester spielen und trotzdem verspüre ich immer einen Drang mich vollständig auf die Cellospielerinen zu konzentrieren, denn ich suche immer nach Möglichkeiten mich zu bessern beim Cello spielen. Als wir die grosse Tonhalle betraten, fühlte ich mich anfangs fehl am Platz, weil alle älter waren als ich, aber dies verflog schnell. Während dem Konzert hatte ich ein Kribbeln auf der Kopfhaut, weil mich die Töne der Musik emotional sehr mitnahmen. Die Töne der Musik liessen mich in Erinnerungen schweben. Die Stimmung war sehr harmonisch, genauso wie der Dirigent mit dem Pianist und dem Orchester. Ich habe mich verbunden gefühlt, mit den anderen Zuhörerinnen, ohne dass wir gesprochen haben, denn die Musik hat für uns gesprochen und wir mit ihr. Nun, weiss ich auch, was dieses Zitat von Berthold Auerbach bedeutet, aber wenn man es nicht selber fühlt, ist es schwer in Worte zu fassen.
„Musik allein ist die Weltsprache und braucht nicht übersetzt zu werden.“
(Berthold Auerbach)


