Girl From The Fog Machine Factory

Musiktheater von Thom Luz

 

Ort: Gessnerallee Zürich

Datum: 27.5.2018 (im Rahmen der Festspiele Zürich „Schönheit / Wahnsinn“)

Beschreibung:

Zuerst ist die Bühne menschenleer. Nur endloses Gerümpel beherrscht den Raum, soweit das Auge reicht. Einzig hörbar ist eine leise Melodie, mehrstimmig A-capella, etwas, das wie ein altes Volkslied klingt. „It was a long time, a very long time ago.“ Langsam betritt ein Schauspieler nach dem anderen die Bühne, jeder von ihnen in einem blauen Overall gekleidet. Wie früher in der Fabrik knipsen sie ihre Anwesenheitskarten und beginnen, Vorbereitungen für irgendetwas zu treffen. Ein Mann setzt sich an ein klavierähnliches Instrument (vermutlich eine Celesta) und spielt eine angeregte Melodie, die sich für eine lange Zeit ohne grosse Variation wiederholt. Währenddessen passiert vor den Augen der Zuschauern etwas Wundersames: Unter der sorgsamen Kontrolle der Fabrikarbeiter wabern von verschiedensten Apparaten erzeugte Nebelschwaden über die Bühne! Einer der Nebeltricks beinhaltet ein Cello und eine Violine, die scheinbar Klang erzeugen, wenn eine Nebelschwade auf das Instrument trifft (eigentlich spielen aber die Schauspieler das Instrument selbst an). Plötzlich betritt eine junge Frau in einem Sommerkleid die Fabrik. Das ist ungewohnt für die Fabrikarbeiter, sie sind sich an Kundschaft nicht gewöhnt. Das Nebelgeschäft ist nun mal nicht besonders rentabel. Alle scharen sich um sie herum, reden wild durcheinander, jeder will ihr das neuste Nebelgadget andrehen, den Sondernebel, der gegen die unerwünschte Intensität der scharfen Sicht hilft, die Nebelblase (eingepackt in durchsichtige Folie), das allerkleinste Nebelpistölchen. Doch das Mädchen scheint nur geringes Interesse zu zeigen. Stattdessen lässt sie sich von einem der Mitarbeiter durch die Fabrik führen und entschliesst sich kurzerhand, von nun an in der Fabrik zu arbeiten. Der Nebel verzieht sich, und plötzlich trägt auch sie einen blauen Overall. In den nächsten Szenen wird gearbeitet. Man erfährt so gut wie nichts über das Mädchen und die einzelnen Charaktere, sie sind zu beschäftigt, profitablen Nebel herzustellen. Im Hintergrund läuft ruhige, atmosphärische Musik, so wabernd wie der Nebel selbst. Eine der eindrücklichsten Szenen ist meiner Meinung nach das „Nebelorchester“, bei dem der Dunst nach Anweisungen des Fabrikdirektors, der einen Dirigentenstab schwenkt, aus Rohren strömt. Diese fast traumähnlichen Sequenzen werden abrupt von einer Radiomitteilung unterbrochen. Die Nebelfabrik in der Gegend sei explodiert, heisst es. Keine Überlebenden. Schlagartig ändert sich die Stimmung. Die Fabrikarbeiter, jetzt mit grossen braunen Papiertüten über den Kopf gestülpt, sammeln sich in der Mitte der Bühne und stimmen einen Trauergesang an. Es ist das gleiche Lied wie am Anfang, das Volkslied, doch jetzt ist es in Moll, untermalt von gruseligen tiefen Untertönen. Die Fabrikarbeiter sind zu Geistern geworden. So endet das Stück.

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Persönliche Meinung:

Mir hat das Stück generell sehr gut gefallen. Wie uns der Titel des Stücks versprochen hatte, gab es Nebel. Und zwar reichlich. Nebel in unterschiedlichsten Mengen und Formen. Die Musik hat die entsprechenden Situationen auf eine Art und Weise betont, die ich ziemlich originell fand und meiner Meinung nach dem Stück einiges an zusätzlicher Würze verliehen hat. Jedoch könnte man wahrscheinlich ungut die Musik komplett unabhängig vom Theaterstück hören, sie existiert dann doch zu sehr für die Handlung und für die Atmosphäre der Nebelfabrik. Das ist nicht unbedingt eine Kritik, aber es ist definitiv ein bestimmender Aspekt der Musik. Die eigentliche Story des Stücks blieb ein ziemliches Mysterium, ich finde, sie hat ihr Potential längst nicht ausgeschöpft. So viele Fragen blieben offen, und obwohl man dies auch einfach als künstlerische Eigenheit interpretieren könnte, fand ich es extrem schade. Ich hätte gern mehr über die Geheimnisse der Nebelfabrik und diejenigen ihrer Arbeiter gewusst. Mehr noch, was waren die Motivationen des Mädchens? Was suchte sie wohl in der vom Untergang geweihten Nebelfabrik? Wir werden es nie erfahren.

Über die Macher:

Thom Luz, geboren in Zürich, studierte an der Zürcher Hochschule für Musik und Theater. Er macht Theaterproduktionen sowohl für die freie Szene als auch für die Stadttheater der Schweiz. Auch in Deutschland und Frankreich ist er aktiv. Anscheinend hat er ein Flair für Geistergeschichten, denn dies ist schon mindestens sein zweites Stück mit diesem Thema.

Mathias Weibel, der musikalische Leiter der Stücks, wurde in Bern geboren und ist unter anderem Mitglied des Kammerorchesters Basel. Er spielt auch argentinischen Tango und arbeitet mit spanischen Flamencotänzern. Mit Thom Lutz arbeitet er schon seit einigen Jahren zusammen, er war auch bei seinen zwei letzten Produktionen „When I Die“ und „Unusual Weather Phenomena Project“ mit dabei.

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von Charlotte Saner, 2fM, 22.6.2018

Ein Kommentar

  1. […] Auf der Bühne stehen mehrere Ventilatoren, ein altes Röhrenradio, Mischpulte, zwei Revox-Bandmaschinen und, neben allerlei anderen Requisiten, diverse Nebelmaschinen, von recht groß bis winzig. Noch bevor das Spiel beginnt, hört man liebliche Chorgesänge, das Personal ercheint, die Maschinen werden angeworfen, die Benebelung kann beginnen, „mit den Nebelmaschinen hantieren sie schon auch“ (Egbert Tholl, MZ) oder: „Wie uns der Titel des Stücks versprochen hatte, gab es Nebel“ (Charlotte Saner). […]

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